Mehr als jeder zweite über 40-Jährige Bundesbürger leidet unter Parodontitis. Die oftmals unterschätzte Volkskrankheit soll nun nach dem Willen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) forciert zurückgedrängt werden.
Es beginnt in der Regel fast unmerklich mit gelegentlichem Zahnfleischbluten und geschwollenem Zahnfleisch. Über Jahre, sogar Jahrzehnte hinweg kann eine Parodontitis fortschreiten, ohne dass die Betroffenen sie als Problem wahrnehmen. Auch deshalb konnte die chronische Entzündung des Zahnhalteapparats zu einer Volkskrankheit werden, deren Verbreitung und Relevanz der von Karies gleichkommt.
Mittlerweile sind mehr als die Hälfte der Deutschen im Alter von 40 Jahren von einer mittleren oder schweren Parodontitis-Ausprägung betroffen, bei den über 75-jährigen sind es sogar rund 90 Prozent. Laut der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) beläuft sich die Zahl der Erwachsenen mit gravierender Parodontitis auf etwa zwölf Millionen. Das bedeutet nicht nur eine große Gefahr für die Zahngesundheit.
„Wird eine Parodontitis nicht adäquat behandelt, kann sie am Ende zu Zahnverlust führen. Darüber hinaus wurden in Studien Zusammenhänge zwischen der Entzündung im Mundraum und systemischen Erkrankungen belegt, von Herz-Kreislauf-Leiden über Diabetes und Demenz bis hin zu Krebs. Auch wenn sie lange Zeit schmerzlos verlaufen kann, ist eine Parodontitis mithin keine harmlose Angelegenheit, sondern sollte erst genommen werden“, warnt die in Berlin-Charlottenburg praktizierende Zahnärztin Lien Hoang Phuong.
Zukünftig wird auch Nachsorge erstattet
Der Schlüssel zu einer wirksamen Bekämpfung parodontaler Erkrankungen liegt in gründlicher Prophylaxe. Insbesondere die heimische Mundhygiene spielt hierbei eine entscheidende Rolle, denn eine Parodontitis wird von Plaquebakterien ausgelöst. Es gilt demzufolge, deren Brutstätte – also Zahnbeläge (Plaque) – möglichst effektiv zu beseitigen. Auch nach einer Parodontitis-Behandlung liegt das Augenmerk bei der Nachsorge auf der Reinhaltung der Zahnoberflächen und -zwischenräume. Hierzu bedarf es neben der heimischen Zahnpflege mit verschiedenen Bürsten auch häufiger professioneller Zahnreinigungen in einer Zahnarztpraxis sowie regelmäßiger Kontrolluntersuchungen.
Diese Nachsorgebemühungen werden bislang nur in engen Grenzen von den gesetzlichen Krankenkassen unterstützt. Mit einer neuen Parodontitis-Behandlungsrichtlinie, die kürzlich vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) verabschiedet wurde und Mitte 2021 in Kraft treten soll, dürfte sich das ändern. Denn sie bezieht die Nachsorge inklusive Mundhygienetraining und flankierender Beratung in die erstattungsfähige Therapie ein.
„Wir haben lange darum gekämpft, dass eine zeitgemäße Parodontitisbehandlung für alle Patienten möglich wird. Die bisherige Behandlungsrichtlinie war veraltet und berücksichtigte nicht mehr den wissenschaftlichen Erkenntnisstand“, gab sich KZBV-Chef Wolfgang Eßer gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zufrieden mit dem nun gefundenen Kompromiss.